Gewaltprävention - Soziales Lernen

Budosport-Pädagogik und demokratische Bildung

Kampfkunst bzw. Kampfsport bieten als non-formale und informelle Lernorte zahlreiche Möglichkeiten, sich mit der Bildung auseinanderzusetzen. Zudem bietet die Budosport-Pädagogik mittels der Kampfkünste bzw. des Kampfsports optimale Rahmenbedingungen für soziales Lernen und somit für die demokratische Bildung.

Die Grundsätze der Budosport-Pädagogik sind in den sieben Grundelementen formuliert:

  1. Lehrer-Schüler-Beziehung
  2. DO
  3. Dojang
  4. Meditation
  5. Kampf – Kampfkunst – Kampfsport
  6. Ernährung/Gesundheit
  7. Kultur, Gesellschaft, Lebenswelt

Im Weiteren findet der Transfer der sieben Grundelemente auf demokratische Bildungsprozesse statt.

1. Lehrer-Schüler-Beziehung

Die Budosport-Pädagogik setzt gezielte Impulse, um Verhaltensänderungen von Schülern anzustreben, d. h. es handelt sich um die Erziehung von Schülern. Dazu muss zwischen den Schülern und dem Lehrer (Budosport-Pädagogen) eine Beziehung, sog. Arbeitsbeziehung bestehen (vgl. Cloos / Köngeter et al., 2009, S. 244). Denn ohne eine Beziehung können laut der Kommunikationstheorie von Watzlawick keine Inhalte vermittelt werden (Eichler / Pankau, aufgerufen am 20.06.2017). In der Praxis bedeutet es, dass der Lehrer als ein Vorbild für die Schüler fungieren muss. Die Vorbildfunktion gewinnt der Lehrer in diesem Zusammenhang nicht nur aufgrund seiner sportlichen und kampfkünstlerischen Leistung, sondern aufgrund seiner wertschätzenden Haltung seinen Mitmenschen gegenüber und seinem Verständnis von Gerechtigkeit. Die demokratischen Bildungsprozesse werden in diesem Zusammenhang durch die positive, akzeptierende und wertschätzende Haltung des Lehrers ausgelöst. Durch die gelungene Beziehungsarbeit können die Schüler ihren Mut aufbringen, um mit dem Lehrer über gesellschaftliche Werte, die durch die Kampfkunst transportiert werden, zu diskutieren. Die eigene Positionierung bzw. die eigene Meinung der Schüler ist wichtig. Die Schüler sollten die Meinung des Lehrers nicht übernehmen. Denn im Sozialisationsprozess der Jugendlichen ist eine stabile Meinung ihrer Bezugspersonen wichtig. Diese wird als Ausgangspunkt für die Entwicklung der eigenen Wertvorstellung von falsch und richtig gesehen. In diesem Zusammenhang findet ein gleitender Übergang zum Do als Lebensweg statt.

2. DO

DO ist der Weg des sich Bemühens, d. h. es ist der Lebensweg. Der Lebensweg des Schülers und des Lehrers ist zum einen der Sozialisationsprozess in der Kinder -und Jugendphase. Zum anderen ist es der Ausbildungsprozess. Es findet ein Reifeprozess statt, der Geduld mit intensiver Arbeit an der eigenen Person verbindet.

Als demokratische Bildung kann das DO als die Auseinandersetzung mit sich selbst und der Umwelt verstanden werden. Die Entwicklung der eigenen Moral findet hier statt und wird gleichzeitig reflektiert.

Soziales Engagement gilt in diesem Zusammenhang als ein wichtiger Beitrag für die Gesellschaft. Hierbei probieren sich die Schüler aus und erleben sich als selbstwirksam.

3. Dojang

Dojang ist ein geschützter Raum, in dem sich die Schüler ausprobieren können. Bezogen auf die demokratische Bildung, können die Schüler sich  z. B. argumentativ ausprobieren und den eigenen Mut stärken, indem sie sich immer wieder mit der eigenen Meinung und der Meinung ihrer Mitschüler und Lehrer auseinandersetzen. Das stärkt die Schüler für ihr Alltagsleben. Sie bekommen den Mut auch „nein“ zu sagen und entwickeln ein eigenes Gefühl dafür, was sie möchten und was nicht. Dojang vermittelt auch feste Rituale und Abläufe, die für die Kampfkunst von enormer Bedeutung sind. Die vorgegebenen Strukturen (Rituale) müssen im jeweiligen Kontext befolgt bzw. anerkannt werden.

Es findet eine Auseinandersetzung mit den Strukturen statt. Die Schüler werden für Akzeptanz und kulturelles Verständnis sensibilisiert.

4. Meditation

Die Meditation hat in der Budosport-Pädagogik einen festen Bestandteil. Die Schüler üben darin die Achtsamkeit, sich Zeit bewusst zu nehmen und zu sich zu finden. Die Meditation lehrt die Verneigung als ritualisiertes Zeichen des Respekts und führt zur Steigerung der Zufriedenheit. Die Verneigung findet nicht vor einem Kult oder einem Meister statt, sondern die Schüler verneigen sich im Kontext der Meditation vor sich selbst als Zeichen der Selbstachtung.

Im demokratischen Bildungsprozess sollen die Schüler die Fähigkeit besitzen, sich die Zeit für sich und soziale Beziehungen zu nehmen. Dazu zählen die Entschleunigung und das Überdenken von eigenen Prioritäten.

Die Zeit für die persönlichen Entscheidungen im Alltag und im politischen Kontext muss bewusst genommen werden.

5. Kampf – Kampfkunst – Kampfsport

Die Budosport-Pädagogik beinhaltet die Philosophie des Budo, d. h. die Fähigkeit den Kampf nicht führen zu müssen und sich friedfertig auf eine bevorstehende Auseinandersetzung einlassen zu können. Dieser Zustand setzt voraus, dass der Schüler den Weg (Do) des Kämpfers gegangen sein muss, um zu wissen, was Kämpfen bedeutet. Hieraus besitzt er die Fähigkeit, eine friedvolle Lösung für einen Konflikt finden zu können.

Für die demokratische Bildung bedeutet es, dass man die Demokratie leben und sich für wichtige Belange einsetzen muss. Eine gewaltfreie Lösung von Konflikten ist das oberste Prinzip der Demokratie.

Einen Wiederspruch dazu bietet die „wehrhafte Demokratie“. Die Diskussion über die Wehrhaftigkeit der Demokratie, also mit welchen Mitteln die Demokratie verteidigt werden kann und sollte, ist sehr weitreichend. Es handelt sich hierbei z. B. um Parteiverbote oder staatliche Überwachung. In beiden Fällen können durch den Staat die Grundrechte der Bürger verletzt werden. An dieser Stelle der öffentlichen Debatte stellt sich die Frage, wie viel eine Demokratie aushalten sollte und wann die Demokratie verteidigt werden muss (vlg. Zakrzewski, aufgerufen am 19.06.2017).

In diesem Zusammenhang muss die Bereitschaft bestehen, zu kämpfen, um die Demokratie zu verteidigen. Wer noch nie gekämpft hat, wird diese Bereitschaft nur bedingt nachempfinden können. Der Kampf ist ebenfalls ein sehr breiter Begriff. Dabei reicht das Spektrum vom Kampf gegen das innere Ich bis hin zum Kampf gegen einen menschlichen Gegner. In diesem Kontext beschreibt das Budo „den Weg des friedvollen Kriegers“, d. h. den Kampf gegen sich selbst gewinnen, um nicht aktiv kämpfen zu müssen.

6. Ernährung/Gesundheit

In der Budosport-Pädagogik sind die Themen Ernährung und Gesundheit von zentraler Bedeutung. Das Wissen der Schüler über die Zusammenhänge von Bewegung und Ernährung und diesbezügliche Auswirkungen auf die Gesundheit stellen einen ergänzenden Baustein in der Persönlichkeitsausbildung dar.

Der demokratische Bildungsprozess wird von den Gesundheitsfaktoren beeinflusst. Denn gesunde und zufriedene Menschen können selbstbewusst, eigenständig und fundiert ihre Meinung nach außen vertreten, anstatt  sich von jemandem abhängig zu machen. Denn sich für einen gesunden Lebensstil bewusst zu entscheiden, bedeutet sich von gesellschaftlichen Abhängigkeiten zu lösen (z. B. Fast Food, Zucker, Zeitmangel und Workaholic). Es bedarf viel Mut und Durchhaltevermögen.

7. Kultur, Gesellschaft, Lebenswelt

Die Kampfkunst bzw. der Kampfsport ist als eine Form der Sportangebote in unserem gesellschaftlichen Alltag eingebettet. Beim Transfer der Budosport-Pädagogik auf die demokratische Bildung sind die sozialen Effekte von Sport von hoher Bedeutung. Der Wettkampfcharakter im Kampfsport braucht die Auseinandersetzung mit Gewinnen und Verlieren. Somit benötigt ein mündiger Bürger die Fähigkeit sich mit Erfolgen und Misserfolgen in seinem Leben auseinanderzusetzen und diese zu verarbeiten.

Der Kampfsport stellt eine Brücke zur Kampfkunst dar. Im Sinne von Budo kann man den Kampfsport als die aktive Auseinandersetzung mit dem Umfang und den Möglichkeiten der Kampfkunst betrachten. Im Kampfsport trainiert der Schüler an seinen Techniken und wendet diese aktiv an, um in Wettkämpfen zu gewinnen. Er nimmt jede Herausforderung an, um sich mit anderen zu messen und seine Fähigkeiten auszuprobieren. Der Schüler sammelt hierbei Erfahrung und reift zu einem Kampfkünstler im Sinne von Budo heran. Die damit einhergehende persönliche, geistige und körperliche Reife des Kampfkünstlers befähigt ihn, nicht mehr kämpfen zu müssen. Der Kampfkünstler erkennt die Situationen im gesellschaftlichen Gefüge, die zu einem Kampf führen können und löst diese z. B. durch Vermeiden der Situationen oder paradoxe Intervention.

Quelle:

Auszug aus der Abschlussarbeit im Rahmen der Prüfung zum Budosport-Pädagogen am Institut für Jugendarbeit Gauting: Anleitung zur Demokratie. Budosport-Pädagogik als Wegweiser zur Mündigkeit junger Menschen. Worms 20.06.2017. André Ulrich. nichtveröffentliche Ausgabe.


 Lietraturangaben:

  • Cloos, Peter; Köngeter, Stefan; Müller, Burkhard; Thole, Werner: Die Pädagogik der Kinder- und Jugendarbeit, 2009.
  • Eichler, Wolfgang; Pankau Johannes: Die fünf Axiome von Watzlawick. http://www.germanistik-kommprojekt.uni-oldenburg.de/sites/1/1_05.html. Aufgerufen am 20.06.2017.
  • Zakrzewski, Tanja: Wehrhafte Demokratie. https://www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/extremismus-bei-uns/wehrhafte-demokratie, aufgerufen am 19.06.2017.